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Schamanismus bei den Germanen

 

Thomas Höffgen - „Schamanismus bei den Germanen – Götter – Menschen – Tiere – Pflanzen“, 3. Auflage 2020, 134 Seiten, € 14,95

 

Wenn ein Wissenschaftler ein unwissenschaftliches Werk veröffentlicht

 

Dr. phil. Thomas Höffgen, studierter Germanist und Philosoph mit Lehrauftrag an der Ruhr-Uni Bochum, sieht sich selbst in der Tradition der Brüder Grimm. Als Philosoph erforscht er die Mythen und Mysterien der Menschheitsgeschichte mit dem Hauptaugenmerk auf die archaischen Ekstasetechniken der Schamanen.

 

Weder in der Einleitung noch sonst im gesamten Text verweist der Autor auf die Herkunft der Bezeichnung „Germanen“.

Zwar nennt er einigermaßen korrekt im Laufe des Buches ein paar der als „germanisch'“ definierten Stämme (Sueben, Eburonen, u. a.), allerdings verortet er ein tatsächlich nie vorhandenes „Germanien“ von Grönland über Island, Nordskandinavien über Zentraleuropa bis zu den Alpen, sowie von der Altsteinzeit bis ins Hochmittelalter.

 

Und hier beginnt auch der große Kritikpunkt dieses Buches:

 

Höffgen differenziert auf keinster Weise die unterschiedlichsten Bräuche, Glaubensvorstellungen und Riten der Stammesgruppen und wirft distanzlos alles in einen Topf, den Topf der „Germanen“ und sieht sowohl die Texte des Tacitus, als auch die Märchen der Edda, die er ebenfalls als Quelle nimmt, als Tatsachen an. Tacitus war niemals rechts des Rheins und als Zugehöriger der römischen Eroberer Galliens hat er nur seine eigenen Phantasien vom Hörensagen nieder geschrieben. Eine Technik, die sich bis heute hält, Gegner als „Terroristen, Despoten, Wilde, böse“ oder sonstwie abzuwerten.

 

In seiner Erklärung des Schamanismus bezieht sich der Autor hauptsächlich auf die Schriften Micea Eliades und auf den sibirischen und samischen Schamanismus. Darauf leitet er dann alle seine Thesen und Theorien (mehr sind das nicht) auf den „germanischen“ Schamanismus ab.

 

Er erkennt weder, dass der Schamanismus regional, lokal und auch ethnisch sehr differenziert war und ist, als auch das Wissen, dass der „Schamanismus“ ursprünglich kein Jagdzauber war, sondern das Herbeirufen, bzw. Locken der Ahnenseele sowohl der jagdbaren Tiere als auch der Menschenseele in den Körper eines lebenden Wesens (Tier oder Mensch), um den Kreislauf des Lebens zu gewährleisten und zu sichern. Hierbei dienten als "Kult"-Plätze die steinzeitlichen franko-iberischen Mutterbauch-Höhlen genauso, wie die Höhlen auf der Schwäbischen Alb (und überhaupt rund um die Welt).

 

Der Autor interpretiert durchweg die archäologischen Funde falsch, da er von falschen Grundvoraussetzungen ausgeht.

 

Als Beispiel sei hier S. 13 im Buch erwähnt, in der er den Fund des Grabes einer jungsteinzeitlichen „Schamanin“ in Bad Dürrheim beschreibt.

Er bezeichnet „Rötel“ (ein natürlicher, roter Erdfarbstoff) als „Zaubermittel“, der „weltweit in schamanischen Kulturen verwendet wurde“.

 

Nein, Rötel ist der „Mutterfarbstoff“, das Mutterblut von Mutter Erde, in dem seit dem Anbeginn der Menschheit sowohl Verstorbene als auch die Mutterfigurinen (z. B. UrMutter vom Hohle Fels, UrMutter von Willendorf, aber auch schon die UrMutter von TanTan vor über 200.000 Jahren) gefärbt waren.

Auf S. 58 im Kapitel über „Die Magie der Runen“ geht der Autor erneut auf das Thema Rötel ein und obendrein auf die X-förmige Rune „Gebo“. Da die Archäologie mehrere Objekte mit diesen X-förmigen Zeichen gefunden hat, interpretiert der Autor hier die Bedeutung der Gebo-Rune mit ihrer relativ jungen Deutung „Geschenk“.

 

Diese X-förmigen Zeichen wurden aber bereits vor 70.000 Jahren auf einem Rötelstein (sic!) in der Blomboshöhle in Südafrika gefunden. Auf den altsteinzeitlichen Tieren und Menschenfiguren, sowie gemalt oder geritzt an Höhlenwänden, sind sie aber das Symbol der Wiedergeburt und des unendlichen Kreislaufs des Lebens, weil das X-Symbol immer in Verdopplungen geritzt und gezeichnet wurde, also XXXXX. Dies symbolisiert sich wiederkehrende Vulven und die M-, bzw. W-förmigen Zeichen der Gebärhockhaltung, die ebenfalls in unendlicher Zahl an Höhlenwänden weltweit gefunden wurden.

 

Wiederholt behauptet der Autor, dass der „germanische“ Schamanismus entweder von den sibirischen Schamanen oder von den Sami-Schamanen oder von beiden gleichzeitig abstammt.

 

Da die „Germanen“, bzw. dieses ethnische Gemisch Zentraleuropas, NachfahrInnen indo-germanischer Einwanderer und Eroberer waren, haben sie sowohl ihren Götterglauben (der nahezu identisch mit dem griechischen Götter-Parthenon ist), als auch ihren Schamanismus aus Vorderasien selber mitgebracht. Dieser stieß auf den Schamanismus der Urbevölkerung Zentraleuropas, übernahm einige seiner Praktiken (das, was später dann z. B. das Sejd wurde) und gestaltete einen völlig neuen Zweig – das, was der Autor in seinem Buch versucht zu beschreiben.

 

Gerne springt er auch zeitlich zwischen Paläolithikum und Hochmittelalter hin und her und verwurstet alles zu seinem ge- und erwünschten „Schamanismus-Brei“.

 

Seine Mutmaßungen zu den „Zauberstäben“, den Völven und Sejdkonas verwendeten und bei den „Germanischen Schamaninnen“ (Titel des entsprechenden Kapitels) beschrieben sind, sind eben das: reine Mutmaßungen auf den Erzählungen der Edda.

 

Er behauptet, dass die Schamanin den „Zauberstab“ als „männliches“ Attribut nutzt – Sigmund Freud und die Herren Kramer und Sprenger (Hexenhammer) lassen Grüßen! - erkennt aber immerhin, dass die Bezeichnung „Völva“ dem Wort „Vulva“ sehr ähnelt.

 

Und hier hätte er das große Geheimnis des Schamanismus lüften können, wenn er seine androzentrische Brille ablegen hätte können! Aber, das laste ich ihm nicht an, denn 99% aller Wissenschaft ist androzentrisch und besonders die Vorgeschichte leidet da heute immer noch sehr darunter.

 

Der Autor erkennt zwar auch, dass sein Forschungsobjekt auf bereits sehr christliche Schriften beruht, die ebenfalls die „germanischen“ Heiden als Teufel und Hexen bezeichnen, sieht aber hier wiederum nicht die Diskrepanz zwischen Märchen- oder Sagenerzählungen, den Diffamierungen der christlichen Kirche und dem gelebten Alltag seines Studienobjekts. Er geht grundsätzlich davon aus, dass die mythologischen Erzählungen gelebte Realität bei den „Germanen“ waren.

 

Genauso lustig ist seine Analogie, den modernen, rot-weiß gekleideten Weihnachtsmann als Schamanen zu bezeichnen! Wir wissen mittlerweile, dass das rot-weiße Gewand des Weihnachtsmanns zum Einen eine Marketingerfindung des Coca-Cola-Konzerns ist, zum Anderen von der nordisch-sibirischen „Mutter der Rentieren“ geklaut wurde, die zur Wintersonnwende in rot-weißem Gewand mit ihren Rentieren über den Himmel fliegt. Mehr dazu hier!

 

Fazit: Es hat mich ziemlich viel Kraft gekostet, dieses unwissenschaftliches Machwerk eines Wissenschaftlers zu lesen, der von seinem Elfenbeinturm herab in seinen Hypothesen und Theorien den Blick auf die Tatsachen verloren hat. Wer sich wirklich mit Schamanismus befassen möchte, sollte hier nicht die Märchen und Mythologien des fiktiven Volkes der „Germanen“ zu Rate ziehen.

 

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