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„Naturrituale: Mit schamanistischen Ritualen zu den eigenen Wurzeln finden“

 

Wolf Dieter Storl „Naturrituale: Mit schamanistischen Ritualen zu den eigenen Wurzeln finden“ 2004 AT-Verlag

 

Wolf-Dieter Storl ist ein Vielschreiber und hat bis jetzt 30 Bücher und mehrere Videos veröffentlicht und betreibt einen eigenen Youtube-Kanal mit bald 42.000 Abonnenten. Er hat eine riesige Fangemeinde und seine Anhänger liegen ihm zu Füßen, nennen ihn den Allgäuer Schamanen, obwohl er von sich selbst immer sagt, dass er das ganz gewiss nicht ist.

 

Mit einem Habitus zwischen Rübezahl, Wotan und Alm-Öhi erklärt er den modernen Menschen die Natur und die Pflanzenwelt. Als Ethno-Botaniker ist er da zweifellos eine Koryphäe, allerdings schweift er doch sehr ins Märchen- und Sagenhafte ab, sobald er sein Fachgebiet verlässt.

 

Laut Klappentext beruft er sich auf „Schamanische Techniken und Rituale, deren Wurzeln in die Steinzeit zurückreichen. Sie können auch dem modernen Menschen Wege zur geistigen Dimension eröffnen.“ Allerdings verortet er grundsätzlich, und nicht nur in diesem, sondern in allen seinen Werken, die europäische Urbevölkerung erst bei den Kelten, Germanen und Slaven an.

 

Auf das hohe Kulturgut unserer AhnInnen im Paläolithikum geht er mit keinem Wort ein, und wenn, dann in einem diffusen „wilden“ Aspekt der Jäger und Sammler. Nur auf Seite 10 ist eine Nachzeichnung eines Mammuts aus der Altsteinzeit abgebildet, dem darüber, völlig zusammenhanglos, ein Zitat aus einer altgermanischen Runeninschrift gegenüber gestellt ist.

 

Schon die Inhaltsangabe macht deutlich, dass hier ein Sammelsurium von Chichi und Schnickschnack aus der ganzen Welt die Suchenden zu SammlerInnen von eher fragwürdigen Dingen, wie Muschelhörnern, Hörnern von Rehböcken, Federn Friedenspfeifen und Trommeln, sowie jede Menge an Blumensträußen und Kräutern zum Räuchern machen soll. Alleine schon den Sage, den weißen Salbei, als „falschen Beifuß“ zu bezeichnen, zeigt, wie ignorant er als Ethno-Botaniker mit den Kräutern, egal ob heimisch oder nicht, umgeht.

 

Im ersten Kapitel des ersten Teils bezeichnet er das Puja (ein Begriff, der aus dem Hinduismus kommt) als eine archaisch-schamanische Technik. Puja heißt aber nichts anderes, als den Segen durch die hinduistische Gottheit oder den Guru als Kanal für die Gottheit zu empfangen. Somit ist Puja weder Archaisch noch Schamanisch.

 

Und wenn wir dann weiter von den germanischen Wurzeln zu einer neuen Romantik geführt werden, habe ich das diffuse Gefühl, die Inhaltsangabe eines neuvölkischen Machwerks von 1933 in Händen zu halten.

 

Obwohl die außereuropäisch-indigenen Völker immer davor warnen, die verschiedensten Techniken und Rituale zu vermischen, scheut er sich nicht, einmal rund um den Globus alle Ethnien und ihr vermeintlich spirituelles Kulturgut – vom hinduistischen Indien, über die australischen Aboriginies bis zu den Indigenen Nord- und Südamerikas – in einen Topf zu werfen, umzurühren und nun allen modernen Europäern ihre eigenen Rituale daraus heraus zu zaubern und die eigenen Wurzeln finden zu lassen. Leider lassen die sich nicht in diesem Buch finden.

 

Mühelos springt er von Indien zu den Indianern, von den Aboriginies zu den Germanen und wieder zurück, bewundert Kali in Kalkutta, die Traumzeit in Australien und Heimdall als Herrscher der Himmelspforte.

 

Er baut, bewusst oder unbewusst, auf tief-patriarchale – altgermanische - Riten, Kulte und Glaubensvorstellungen, wobei er trotzdem gelegentlich die diffusen Praktiken der germanisch-weiblichen Schamaninnen erwähnt, die er hier „Laechen“ nennt. sowie eine diffuse „Große Göttin“

 

Alleine im Kapitel über den altgermanischen Blutsegen „Blóta“ erkennt er nicht den wahren Ursprung im Menstruationsblut der Frauen. Zusätzlich verbreitet er hier wieder tief-patriarchale Mythen, dass menstruierende Frauen „unrein“ sind und aus allen kultischen Handlungen während der Menstruation ausgeschlossen werden müssen.

Obendrein missinterpretiert er hier den isländischen Begriff "blotr" mit Blutopfer, korrekt bezeichnet er ein Trankopfer, meist Met oder Bier.

 

Fazit: Ein Buch, das mich wirklich geärgert hat.

 

Einerseits liefert es klare Anweisungen für Rituale, Ritualgegenstände und Bräuche, andererseits ist es mehr als fragwürdig und für die Suchenden wenig zielführend, sich hier aus einem ethnologischen IKEA-Katalog das heraus zu suchen, was einem persönlich passt.

Das Geld für dieses Buch sollte lieber in ein Werk von Sandra Ingerman oder Michael Harner investiert werden. Bei ihnen lernt man wirklich etwas über Schamanismus und was alles dahinter steckt.

 

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